NDR-Konzert: So begeistert „Presto“!

Lübeck: Archiv - 22.04.2023, 16.35 Uhr: Dirigent Marc Albrecht steht in der Familientradition: Vater George Alexander Albrecht überzeugte in Lübeck mit Dvoraks „Aus der Neuen Welt“ (Konzertsaal-Benefiz 1983) und Beethovens „Eroica“ (Furtwängler-Gedenkkonzert 2004). Jetzt kam der Sohn als Gastdirigent mit der Radiophilharmonie Hannover zum 7. NDR-Konzert in die MuK – und bot einen hochklassigen Abend.

Marc Albrecht hatte das Pogramm umgebaut. Statt mit der d-Moll-Sinfonie von César Franck, die Lübecks Philharmoniker bereits im Dezember-Konzert gespielt hatten, beschloss er den Abend mit Arnold Schönbergs Orchesterversion von Johannes Brahms' Klavierquartett g-Moll op. 25. Und diese Wiedergabe wurde zu einer (Dreiviertel)Sternstunde: Brahms, angekommen im 20. Jahrhundert. Albrecht ging mit Schönberg in die aufgerauhten Vollen. Mit stetem Zug nach vorn ließ er das Hauptthema atmen, arbeitete das Thema des Intermezzos a tempo immer wieder klar heraus und zeigte, wie es durch die Stimmen wandert. Im Andante ließ er Brahms richtig schwelgen – und befeuerte plötzlich das Tutti zu einem Marsch mit einer Dynamik, die im Finalsatz „Rondo alle Zingarese“ dann kulminierte: Dieses Presto wurde zum Ritt über die Puszta, das saftige zweite Thema steigerte sich zum rasenden Fortissimo. Als Bewegungsmelder holte Marc Albrecht hier wahrhaft das Letzte aus den NDR-Hannoveranern heraus, die mit Können und ganzer Seele musizierten. Die Begeisterung des Auditoriums war groß.

Vor der Pause gab es Ravel. Marc Albrecht gestaltete zunächst „Le Tombeau de Couperin“ mit dezidierter Gestik und Körpersprache. Die Suite atmete durch die konsonanten Holzbläser voll den barocken Geist und wurde besonders im 2. Satz (Forlane) zum Lehrstück an Transparenz. Im 3. Satz (Menuet) führte die Solo-Oboistin durch bukolische Gefilde, und das Finale (Rigaudon) bestach durch seine ebenso kräftigen wie eleganten Pizzicati-Hüpfer.

Maurice Ravels Klavierkonzert G-Dur springt von Bach direkt in den Jazz. Die Synkopen rechter wie linker Hand feuerte der Solist Dejan Lasic zwischen die satten Blech-Einwürfe des Orchesters – von Marc Albrecht federnd und mit Augenmerk gesteuert. Der junge Pianist aus Zagreb hatte alles buchstäblich im Giff, ließ sich vom ätherischen Harfen-Glissando mit folgendem Paukenschlag nicht aus der Ruhe bringen. (Man ist gespannt, wie Tzimon Barto dagegenhält mit dem Gershwin-Konzert und den Lübecker Philharmonikern am 21. und 22. Mai.) Die Ravel'sche Träumerei des Adagio assai (super: Flötistin und Englischhornist) tastete der sympathische Lasic langsam und spannend, um dann ein Presto hinzulegen, wie es treffsicherer nicht sein kann. Marc Albrecht hielt umsichtig alles zusammen und freute sich mit Lasic über dessen heftig erklatschte Zugabe, einen ironischen Walzer des jungen Schostakowitsch.

Anmerkung: Das Konzert war sehr schwach besucht. Wenn der gegenwärtige Abwärtstrend anhält, sieht es um die Zukunft großer Sinfonik in Lübeck düster aus.

Marc Albrecht überzeugte beim Konzert in Lübecker MuK. Foto: Melle Meivogel

Marc Albrecht überzeugte beim Konzert in Lübecker MuK. Foto: Melle Meivogel


Text-Nummer: 158128   Autor: Güz.   vom 22.04.2023 um 16.35 Uhr

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