Kulturfunke Brachial in der Königstraße

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 29.04.2023, 17.31 Uhr: Ein paar gelbe Schilder erinnern noch an die Postbank, die hier einmal war, in den ehemaligen Räumen der Poststelle gegenüber dem Katharineum in der Königstraße. Jetzt ist dort Leerstand, leider nichts Ungewöhnliches in der Hansestadt Lübeck. Für Berit Kröner und Mirja Schellbach sind derartige Locations allerdings eine Herausforderung, die sie sich bereits mehrmals gesucht haben.

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Die beiden Künstlerinnen nennen sich "Die Brachiale" und sie gehen bewusst in Leerstände wie im Herder Center oder in die alte Apotheke gegenüber der Hauptstelle der Lübecker Sparkasse und treten mit den verlassenen Gewerberäumen in einen künstlerischen Dialog.

So auch am vergangenen Donnerstag in den ehemaligen Räumen der Post in der Königstraße. Der erste Eindruck für den Besucher war spärlich. Alles beginnt bei den beiden Künstlerinnen immer mit zwei Sesseln im Stil der 50er Jahre, die aber nicht nur Objekte sind. Man darf auch drin sitzen. Dann blickte man auf Verstärker, Kabel, Schnüre und Scheinwerfer und den Grand-Daddy der Lübecker Popkultur, Tilo Strauß. Der nestelte an Verstärkern, Knöpfen, Reglern und Instrumenten herum und blickte immer einmal wieder auf seinen Ablaufplan; alles Vorbereitungen für eine komplexe Klanginstallation.

Dann ging es los, mit Erläuterungen der beiden Künstlerinnen. Der Klangteppich von Strauß sollte Inspiration sein für einen Dialog mit Raum und Musik. So sollten Orte im Raum gefunden werden, auf die in den Folgewochen der künstlerische Dialog zwischen den beiden Protagonistinnen aufgebaut wird. Strauß holte derweil die Blockflöte und hob an. Im Zentrum des Raumes kreiste bedeutungsvoll eine 180 Grad Panoramakamera mit einem Zoom SGH-6 Richtrohrmikrofon. Die beiden Künstlerinnen durchstreiften den Raum und setzten Markierungen, wobei sie sich bemühten, die Klangimpressionen aufzunehmen und in die Raumgestaltung umzusetzen.

Tilo Strauß hatte mittlerweile die Blockflöte aus der Hand gelegt und bediente seine Regler. Für einen neuen Klangimpuls legte er eine Schalter am Verstärker um. Das war zuviel. Mit einem lauten Knall war plötzlich 'Game Over'. Ein Kurzschluss hatte die Performance lahmgelegt.

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Das führte zu ganz anderen Interaktionen von Kunst und Raum. Verlängerungsschnüre wurden durch den Raum gespannt, die zu Steckdosen führten, die noch Saft hatten. Bevor Tilo wieder anschaltete noch die goldene Idee, die stromfressenden Scheinwerfer herauszuziehen, bevor es wieder knallen würde.

Das hat geklappt. Man konnte trotzdem noch genug sehen und die Raumdurchmessung konnte mit dieser Energiespar-Variante weitergehen. Wenn man so will, ein verweisendes Zeichen auf die grundhaften Probleme unserer Zeit.

Tilos Performance steigerte sich dann durch Einsatz von Gitarre und Verzerrer. Dann noch ein göttlicher Kunstmoment. Mitten durch die Performance streifte ganz im Sinne von Luis Bunuel ein andalusischer Hund. Unbeeindruckt von Verzerrern und schreckenden Klängen, begleite er die Künstlerinnen beim Setzen der Markierungen.

Plötzlich setzte Stille ein. Damit alle Bescheid wussten sagte Tilo Strauß einfach nur: "Das war's."

Extrem kultig, das Ganze. Am 11. Mai gibt es eine Midissage bei der es schon mehr über die Ergebnisse des künstlerischen Dialogs zu sehen gibt. Zur Finissage am 25. Mai wird Tilo Strauß wieder einen abschließenden Klangteppich legen. Bis dahin wird er noch oft duschen, denn unter der Brause, so verriet er, kommen ihm immer die besten Ideen.

Mein Wunschtermin ist allerdings am 13. Mai. Dann kommt 12 Volt aus Berlin, nach eigenen Angaben eine "cargo-bike-rock-band with zero-carbon soundsystem." Die will ich sehen, das lass ich mir auf gar keinen Fall entgehen. Am nächsten Tag ist dann Kommunalwahl.

Im Originalton hören Sie ein Interview von Harald Denckmann mit Berit Kröner und Mirja Schellbach.

In den Räumen wird improvisiert. Fotos: Harald Denckmann / Veranstalter

In den Räumen wird improvisiert. Fotos: Harald Denckmann / Veranstalter


Hier hören Sie den Originalton:

Text-Nummer: 158302   Autor: Harald Denckmann   vom 29.04.2023 um 17.31 Uhr

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