Sinti und Roma in Lübeck – Geschichte und Gegenwart

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 05.05.2023, 10.57 Uhr: Mit einem umfangreichen Programm präsentiert die „Initiative Stolpersteine für Lübeck“ die Geschichte und Verfolgung der Sinti und Roma in Lübeck von 1933 bis heute – ein bislang in der Öffentlichkeit nur wenig bekanntes Kapitel der Geschichte der Hansestadt. Los geht es mit einer Buchpremiere am 09. Mai 2023.

Den Ausgangspunkt des Programms bilden die Ergebnisse einer mehrjährigen Recherche, die in der Veröffentlichung „Sinti und Roma in Lübeck von 1933 bis heute“ bei einer Buchpremiere am 9. Mai 2023 (19.00 Uhr in der Katharinenkirche, Lübeck) erstmalig öffentlich vorgestellt werden.

Gerhard Eikenbusch und Elisabeth Eßer von der Initiative Stolpersteine zeichnen in dem vom Archiv der Hansestadt Lübeck herausgegebenen Band (Schmidt-Römhild-Verlag) die historischen Wurzeln der Verfolgung der Sinti und Roma nach. Sie schildern darin eingehend, wie Sinti und Roma in der Zeit von 1933 bis 1945 in Lübeck schikaniert, verfolgt, vertrieben und vernichtet wurden. So wurden allein am 20. Mai 1940 über 60 von ihnen in ein Lager in das polnische Bełżec deportiert. Ihr Schicksal ist nun in ‚Gedenk-Blättern‘ aufgezeichnet, die ihren Lebensweg, ihre Familien und ihre Beziehungen zu Lübeck beschreiben.
Darüber hinaus zeigt die Veröffentlichung, wer von 1933 bis 1945 in Lübeck an der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma beteiligt war und wie sie organisiert wurde. Und es wird ausführlich dargestellt, wie nach 1945 die Verfolgung und Missachtung der Lübecker Sinti und Roma nicht aufhörte. Wenn überhaupt, gewährten Behörden und Gerichte den Opfern nur sehr zögerlich – oft erst Jahrzehnte später – Entschädigung und Wiedergutmachung.

Mit der Buchpremiere wird eine Wanderausstellung eröffnet, die den Horizont über den Zeitraum des Buches hinaus erweitert und die von Dr. Jens Rönnau im Auftrag des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Verbandes deutscher Sinti und Roma kuratiert wurde: „Der lange Weg – Sinti und Roma in Schleswig-Holstein“. Sie wird bis zum 10. Juni 2023 in der Lübecker Katharinenkirche zu den üblichen Öffnungszeiten (Do – So von 12-16 Uhr) gezeigt, erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte und zeigt anschaulich die Geschichte und auch die Integration der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein. Zur Ausstellung werden auch Führungen für Gruppen und Klassen angeboten, die über die Initiative Stolpersteine für Lübeck gebucht werden können.

Ergänzt werden Ausstellung und Buchveröffentlichung durch drei Vorträge prominenter Fachleute: Dr. Frank Reuter von der Forschungsstelle Antiziganismus in Heidelberg zeichnet am 24.5.2023 (19. 00, Katharinenkirche) die zentralen Entwicklungslinien des Völkermords an den Sinti und Roma nach. Dr. Kristina Vagt vom Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gibt am 1. Juni 2023 (19.00, Katharinenkirche) einen Einblick in den Gedenkort „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ in Hamburg und die Entstehung eines Dokumentationszentrums zur Deportation und Vernichtung der Sinti und Roma aus Norddeutschland. Schließlich beleuchtet Dr. Sebastian Lotto-Kusche am 6. Juni 2023 (18.00 Uhr, Katharinenkirche), wie Behörden und Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein von 1949 bis 1990 lange zögerten, das erlittene Unrecht der Sinti und Roma anzuerkennen. Die Veranstaltungsreihe wird wesentlich von der Hansestadt Lübeck und dem Programm „Partnerschaft für Demokratie“ gefördert.

In den Rahmen dieser Veranstaltungen gehört schließlich auch die diesjährige Gedenkstunde am 16. Mai (18.00 Uhr, Haus der Kulturen) zum Jahrestag der Deportation der Lübecker Sinti- und Roma-Familien am 16. Mai 1940, die von der Initiative Stolpersteine für Lübeck, dem Haus der Kulturen und dem Landesverband Schleswig-Holstein e.V. des Verbandes deutscher Sinti und Roma veranstaltet wird. Im Anschluss an die Gedenkstunde wird im Haus der Kulturen die Ausstellung „Ein Jahrhundert zwischen Diskriminierung und Verfolgung - Sinti und Roma im 20. Jahrhundert in Lübeck“ wiedereröffnet, die im Jahre 2000 von Manfred Bannow-Lindtke in Kooperation mit dem Haus der Kulturen erarbeitet worden ist.

„Mit diesem umfangreichen Programm geht es der ‚Initiative Stolpersteine für Lübeck‘ natürlich darum, auf dieses wichtige und bisher zu unbekannte Kapitel der Lübecker Geschichte hinzuweisen. Aber noch wichtiger ist uns – ganz in der Tradition der Stolpersteine – dafür zu sorgen, dass das Schicksal der verfolgten Menschen nicht vergessen wird. Deshalb sind für uns die ‚Gedenk-Blätter‘ so wichtig.“ (Elisabeth Eßer, Sprecherin der ‚Initiative Stolpersteine für Lübeck‘).

Über die Verfasser von „Sinti und Roma in Lübeck von 1933 bis heute“
Gerhard Eikenbusch wohnt seit 2016 in Lübeck, hat längere Zeit in Schweden und vorher in Nordrhein-Westfalen als Lehrer für Deutsch und Erziehungswissenschaft und als Schulleiter gearbeitet. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u. a. zum kommunistischen und sozialdemokratischen Kinder- und Jugendtheater in der Weimarer Republik – und zuletzt (2022) der Roman „Schwäler auf dem Gipfel zur Macht“. Er arbeitet seit 2017 bei der Initiative „Stolpersteine für Lübeck“ mit.

Elisabeth Eßer lebt seit 1983 in Lübeck und hat bis 2017 an einem Lübecker Gymnasium Deutsch und Französisch unterrichtet. Seit ihrem Ruhestand unterstützt sie die Initiative „Stolpersteine für Lübeck“ und ist seit 2022 deren Sprecherin.

Angaben zur Veröffentlichung
Gerhard Eikenbusch und Elisabeth Eßer: Sinti und Roma in Lübeck von 1933 bis heute. Die Geschichte ihrer Verfolgung im Nationalsozialismus und das Unrecht an den Überlebenden nach 1945. (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Herausgegeben vom Archiv der Hansestadt, Reihe B, Band 57). Lübeck: Schmidt-Römhild-Verlag, ISBN: 978-3-7950-3126-8

Die Termine
- Buchpremiere: 9. Mai 2023, 19.00 Uhr, Katharinenkirche Lübeck
- Eröffnung der Ausstellung: 9. Mai 2023, 19.00 Uhr, Katharinenkirche Lübeck (bis 11.6.23)
- Vorträge: 24. Mai 2023, 1. Juni 2023 und 6. Juni 2023

Die Buchpremiere findet am 09. Mai 2023 in der Katharinenkirche statt. Foto: Archiv

Die Buchpremiere findet am 09. Mai 2023 in der Katharinenkirche statt. Foto: Archiv


Text-Nummer: 158426   Autor: Veranstalter/red.   vom 05.05.2023 um 10.57 Uhr

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