DKP zur Innenstadt: Traum und Wirklichkeit

Lübeck: Archiv - 13.05.2023, 11.31 Uhr: Wilfried Link von der DKP Lübeck kritisiert den Kauf des ehemaligen Karstadt Sport-Gebäudes am Schrangen. Die Politik und die Verwaltung setzten hier völlig falsche Prioritäten und würden Geldmittel verschwenden.

Wir veröffentlichen die Mitteilung von Wilfried Link im Wortlaut:

(")Die Hansestadt Lübeck hat das ehemalige Karstadt-Gebäude Am Schrangen gekauft. „Neben zusätzlichen Schulräumen für die Innenstadt-Gymnasien“, so hieß es auf HL-live.de, „sollen sowohl PopUp-Geschäfte, StartUps als auch die Hochschulen in das Gebäude einziehen und insbesondere die unteren Geschosse öffentlich zugänglich bleiben.“

Vor lauter Begeisterung konnte Bürgermeister Lindenau kaum an sich halten: „Die Innenstadt wird in bisher einmaliger Form neu belebt“, stapelte er tief und sprach von der „einmaligen Chance, einen neuen attraktiven Innenstadt-Magnet zu entwickeln“.

Soviel Einmaligkeit auf einem Haufen! Ob er mit dem neuen „Innenstadt-Magneten“ Bezug nahm auf erfolglose Vorbilder, wie die Leerstände im Haerder Center oder die Trostlosigkeit der unvermieteten Ladenflächen im Lichthof, der ehemaligen Königspassage? Die immerhin versucht die Stadt zu kaschieren, indem sie dort ein Ladenlokal nach dem anderen anmietet.

Und vielleicht sollte die Verwaltung den Bürgermeister mal aufklären, was er der Bevölkerung als „attraktiven Innenstadt- Magneten“ andient: Wikipedia definiert PopUp-Geschäfte als „kurzfristige und provisorische Einzelhandelsgeschäfte, die vorübergehend in leerstehenden Geschäftsräumen betrieben werden“. Ein Ramschkonzept, um die Wertigkeit der Hansestadt als Einkaufsstadt zu erhöhen?

Der Spaziergang vom Klingenberg über die Breite Straße bis zum Koberg zeigt, dass in der Einkaufszone zwar ab und zu neue Geschäfte entstehen. Doch schon seit Wochen haben wir dort einen stabilen Leerstand von ca. 15 Ladenlokalen.

Und der Bürgermeister kann noch besser: „Zusammen mit den Projektbeteiligten starten wir jetzt mit der Entwicklung des Projektes. Dazu gehört zunächst die Erarbeitung der konkreten Nutzungsbedarfe.“

Bauherren aufgepasst: Man besorgt sich erst mal eine Immobilie. Dann spricht man wegen der Finanzierung eines Umbaus bei seiner Bank vor und erwähnt, das Nutzungskonzept käme irgendwann später. Wer so vorgeht, kommt nicht einmal dazu, seinen Kaffee auszutrinken.

Zum Vergleich: Aktuell berichten die Medien über den Auftrag des Bundes an eine Werft, „drei „Spionageschiffe“ zu bauen. Dieser Auftrag wurde „noch recht pauschal vergeben und dabei weitgehend darauf verzichtet, spezifische Vorgaben zu machen“. Auf die veranlagten zwei Mrd. Euro sollen jetzt noch einmal mindestens 800 Millionen oben draufkommen.

So etwas kommt dabei heraus, wenn man erst kauft und dann plant. Schließlich sind Verkaufsräume keine Klassenräume, falls unser Bürgermeister sich noch an seine Schulzeit erinnert. Erklären könnten das dem Mitglied der ehemaligen Arbeiterpartei SPD auch die gekündigten Karstadt Verkäuferinnen und Verkäufer, doch die setzen sich wohl meist immer noch mit der Agentur für Arbeit, bzw. dem Jobcenter auseinander.

So ist damit zu rechnen, dass bei dem geplanten Prestigeprojekt die Umbaukosten wieder einmal aus dem Ruder laufen werden, so als hätte die SPD aus dem finanziellen Debakel der Elbphilharmonie nichts gelernt. Dort betrugen die Baukosten am Ende mehr als das 11-fache der ursprünglich geplanten Summe.

Dass es auch anders geht, zeigt des Beispiel der kroatischen Pelješac-Brücke, die den südlichsten Teil Kroatiens und Dubrovnik mit dem Rest des kroatischen Festlandes verbindet. Sie ist eines der größten EU-finanzierten Projekte. Nirgendwo findet sich ein Hinweis, dass die Baukosten überschritten wurden. Ärgerlich für die Betonfraktion hierzulande und lehrreich für unseren Bürgermeister: Die Brücke wurde von den Chinesen gebaut.

Dem Immobilienspekulanten B. kann das alles egal sein, er hat sein Schäfchen im Trockenen. Schon seit Jahren konnte man beobachten, wie der Besitz von Kaufhäusern immer weniger der Bedürfnisbefriedigung der Kundschaft diente, denn ihrer Rolle als Anlageobjekte. Das “Shop-in-shop System“, bei dem Verkaufsflächen in Kaufhäusern an Markenhersteller vermietet werden, führte dazu, dass sich Kaufhäuser immer mehr anglichen, durch stets präsente Mode-, und Parfummarken. Eigenständigkeit und individuelle Ausstrahlung gingen verloren.

Nun wird die Lübecker Immobile insgesamt vermarktet, denn bei soviel „Einmaligkeit“ schaut unser visionärer Bürgermeister nicht einmal ins Grundgesetz, wo es in Artikel 15 heißt, „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Und auf die Idee, etwas für den sozialen Wohnungsbau zu tun, kommt er schon gar nicht, so als hätten Stadtplanerinnen und -planer nicht schon zu Beginn der Coronakrise gewarnt, die Zeit teurer Büros und Verkaufsflächen in den Innenstädten sei vorbei und mehr Flexibilität und Fantasie erforderlich, auch eine Belebung der Innenstädte durch Wohnraum.

Jedoch die konzeptionelle Verwirrung der Verantwortlichen geht noch weiter, denn sie hängten sich, auf der Suche nach einem Karstadt-Konzept, an einen vorbeiziehenden Zug. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Filk, Medienpädagoge und interdisziplinärer Medienforscher an der Universität Flensburg, wurde ein Konzept entwickelt, 39 Millionen Euro, von der EU kofinanziert, unter dem Stichwort „Künstliche Intelligenz (KI)“ einzusetzen.

Im Rahmen des Landesprogramms Wirtschaft (LPW) entstand das Konzept eines "Digital Learning Campus“, das auch in Lübeck genutzt werden soll, laut einfacher Erklärung des Projekt-Handouts „eine digitale Lern-und Kollaborationsplattform, (…) sowie „eine Reihe von über die Plattform vernetzten, physischen Lern-und Kollaborationsorten. (…) Konkret sollen innovative und noch nicht am Markt existierende Kollaborations- und Bildungsformate geschaffen werden, die einerseits innovative Inhalte vermitteln sowie andererseits auch Austausch, Wissenstransfer und Kollaboration zu den innovativen Technologien ermöglichen. Dabei wird ein Fokus auf Anwendungen und Technologien gelegt, die mit Künstlicher Intelligenz und ihrer praktischen Anwendung verbunden sind.“

Sehen wir einmal davon ab, dass digital gestützte Kooperation an einem Ort zu stationieren, zumindest für junge Menschen in etwa so attraktiv ist, wie ein Verkehrsübungsplatz, dessen Zugangsstraßen man zur Fußgängerzone erklärt. Tun wir so, als hätten wir vergessen, dass für gelegentliche persönliche Zusammentreffen im Untergeschoss der Königspassage kaum genutzte Räume der Fachhochschule zur Verfügung stehen. So bleibt immer noch eine konzeptionelle Frage, die auch die Ansiedelung der Leitung des Projektes bei den stv. Rektoren von Uni und FH in Lübeck, nicht beantwortet: Was, bitte schön, ist digitales Lernen?

Der Mensch lernt über seine Synapsen, je mehr dort schon an Informationen zum Thema abgelegt ist desto besser und, vor allem, je intensiver der Impuls, auch. Dies beinhaltet den Einsatz aller menschlichen Sinne, neben dem Sehen das Hören, Fühlen, Riechen, und Anfassen. Auch Emotionen fördern die Aufnahmebereitschaft unseres Gehirns. Dabei sind digitale Medien ein Einsatzmittel unter anderen, so ergeben sie Sinn. Doch zahlreiche Studien belegen, dass eine Reduzierung auf den Bildschirm vor uns die Aufnahmeintensität reduziert, statt erhöht. Der Mythos vom digitalen Lernen hat soviel mit der Komplexität des Lernprozesses zu tun, wie ein Porno mit Erotik.

Es ist eine Erfindung der Hersteller digitaler Medien, nach dem Motto: "Die Wissenschaft hat festgestellt, das Marmelade Schnaps enthält. So essen wir auf jeder Reise Marmelade eimerweise.“ Man könnte auch sagen, die Imagination vom digitalen Lernen ist so real wie die Behauptung, Frieden zu schaffen mit immer mehr Waffen.

Im Rahmen ihres Kommunalwahlkampfes veranstaltete die SPD Lübeck eine Bootsfahrt auf der Trave. Es geht das Gerücht, einzelne Genossinnen und Genossen hätten heimlich Kerben an der Schiffsreling angebracht, damit diese Schildbürgerinnen und Schildbürger uns in einigen Jahren erklären können, wo sie mit ihrem Technikfetischismus wieder einmal Steuergelder versenkt haben.

Dabei sind die Verantwortlichen der stolzen Hansestadt sind nicht einmal in der Lage, Probleme zu lösen, die zum Himmel stinken. Die Mengen an billigem Bier, konsumiert am Klingenberg, werden oben an der Marlesgrube, und dann hinab die ganze Wand des Zentralbades bis zur Kleinen Kiesau entleert. Spätestens im Sommer stinkt das wieder zum Himmel, die Angestellten der Volksbank, die ihren Arbeitsplatz durch den dortigen Nebenausgang verlassen, dürfen dann wieder mit schlankem Fuß über die Rinnsale steigen.

Doch die Fantasie der Verantwortlichen reicht hier nicht einmal für ein Dixie Klo, in der Innenstadt liegen Elektroroller auf den Gehwegen und in den Einkaufsstraßen, nahe beim historischen Rathaus, betteln und kampieren Menschen, die offensichtlich obdachlos sind. Doch solche Probleme zu lösen, ist eben nicht hipp.

Und wenn sie nicht gestorben sind, jagen sie die nächste Sau durchs Dorf. Wollen wir nur hoffen, dass die Orden, die für diesen konzeptionellen Unfug verteilt werden, virtuelle sind. Die stechen dann wenigstens keine Löcher ins feinbetuchte Ego, wenn es wieder mal daneben ging.(")

Lübeck hat wichtige Probleme, die angegangen werden müssen, meint die Lübecker DKP. Foto: Wilfried Link

Lübeck hat wichtige Probleme, die angegangen werden müssen, meint die Lübecker DKP. Foto: Wilfried Link


Text-Nummer: 158648   Autor: DKP/red   vom 13.05.2023 um 11.31 Uhr

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