Die Umleitungen und der Lebensweg

Letzte Woche musste ich auf den Vorwerker Friedhof, es ist eine ganze Strecke von meiner Wohnung bis dorthin. Als Lübecker oder Lübeckerin können Sie sich mein Hauptproblem denken: es war die Frage, wie ich dorthin komme. Mindestens eine Baustelle versperrt den Weg, ob dahinter noch mehr kommen, wie es auf den Umleitungsstrecken aussehen würde, wusste ich nicht. Selbst Google maps kennt manchmal nicht alle Baustellen. Als Pastorin aber sollte man schon pünktlich zu einer Beerdigung sein.

Im Moment ist es in Lübeck wirklich schrecklich. Viele bekannte Routen sind gesperrt, die Brücken sowieso. Ich frage mich immer, wie Touristen damit zurechtkommen. Aus Urlauben erinnere mich an Schilder: „Zufahrt zu XY über Z gesperrt, fahren sie MN“. Wenn man weder XYZ noch MN kannte, war das nicht sehr hilfreich. Genauso muss es Ortsunkundigen im Moment in Lübeck gehen. Und wenn man als Lübeckerin in einen anderen Stadtteil, den man nicht so gut kennt, muss, so wie ich letzte Woche, dann geht es einem nicht viel anders.

Diese Umleitungen, Sperrungen und Behinderungen erinnerten mich – gerade weil ich auch zu einer Beerdigung fuhr – an unser Leben. Denn wir sprechen ja auch von dem Lebensweg, und bei einer Trauerfeier nehmen wir Abschied von einem Menschen, dessen Lebensweg beendet ist.

Wie beim Fahren durch die Stadt geht es uns auf unserem Lebensweg. Wir setzen uns Ziele, träumen als junger Mensch vielleicht von einem tollen Beruf, der uns erfüllt, von einer Hochzeit ganz in Weiß und immerwährendem Eheglück, wir haben Interessen, Hobbies, Fähigkeiten, Menschen, die uns nahestehen.

Und immer wieder ist uns der Weg versperrt, auch das erleben wir. Wir müssen Umleitungen gehen auf unserem Lebensweg, weil wir vielleicht eine Prüfung nicht bestanden haben, der Mensch, mit dem wir uns eine gemeinsame Zukunft erträumten, nicht so ist, wie wir das dachten, wegen Krankheit, Tod. Manchmal verrennen wir uns und geraten in eine Sackgasse. Selbst Beziehungen, Tätigkeiten, die uns lange glücklich machten und erfüllten, können plötzlich ihre Bedeutung verlieren und nur noch belastend sein.

Da ist es gut, wenn man auch in seinem Leben ein Navigationssystem hat. Im 23. Psalm heißt es: „Du führest mich auf rechter Straße um deines Namens willen.“ Die rechte Straße hat nichts mit links oder rechts zu tun, sondern es ist ein altes Wort für „richtig“. Gott führt uns den richtigen Weg durch unser Leben, so vertraut der Beter dieses Psalms. Er tut es noch nicht einmal um unseretwillen – dann müsste man ja Angst haben, dass Er es vielleicht einmal nicht mehr tut, wenn Er sich über uns geärgert hat, sondern er tut es einfach so, aus sich heraus.

Dann stellen sich oft die Umleitungen und Sackgassen, über die wir uns so geärgert haben, als der richtige Weg heraus. Viele Ältere werden es bestätigen: Vieles ist völlig anders gekommen, als sie es sich einmal erträumt und erhofft haben, und doch war und ist es gut, weil und wenn es Gottes Weg ist.

Die vielen Umleitungen in Lübeck sind ärgerlich, aber im Leben ist es anders: Da sind sie die Wege Gottes, mit denen Er uns auf dem richtigen Weg zum Ziel bringen will. Im Urlaub sind wir manchmal dann einfach so weitergefahren und haben dadurch schöne und uns bis dahin unbekannte Ecken entdeckt. So ist es auch im Leben. Und wenn Sie wieder einmal vor einer Sperrung stehen, mit die Sie nicht gerechnet haben: Man kann es nicht ändern, aber man kann Gott danken, für die guten Wege, die Er uns im Leben geführt hat.

Pastorin i.R. Ellen Naß beschäftigen die vielen Baustellen in Lübeck.

Text-Nummer: 159088   Autor: red.   vom 03.06.2023 um 08.40 Uhr