Meister Blomstedt und seine Freude

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 10.06.2023, 11.31 Uhr: Das 8. Sinfoniekonzert des NDR-Elbphilharmonieorchesters in der MuK werden die Besucher, es waren diesmal erfreulich viele, als historisch in Erinnerung behalten: Herbert Blomstedt, der nächsten Monat seinen 96. Geburtstag begeht, saß am Pult und zeigte einmal mehr, was Werktreue bedeutet, wie uneitel Dirigieren sein – und wie man Musik lieben kann, in diesem Fall Werke von Johannes Brahms und Carl Nielsen.

Selten so bedachtsam kam die Einleitung von Brahms' Violinkonzert, selten so forsch der Einstieg ins erste Thema vom Orchester wie vom Solisten: Leonidas Kavakos machte viel Druck auch in der Kantilene. So zeigte sich der widerborstige Brahms, dann der sinnende, bis in der Reprise ein ganz langsames Zögern den liebenden hören ließ. Kavakos spielte das insgesamt energischer als gewohnt und Blomstedt rauhte es auf. Eingeleitet von Oboe, Flöte und Horn, boten Dirigent und Solist im Adagio eine Erzählung von den letzten Dingen – Kavakos dabei so zart und ohne Scheu vor dem Vibrato, wobei das Horn (Claudia Stenkert) ihm ein warmer Widerpart war. Und dann der Finalsatz: Lebhafte Attacke mit vollem Risiko, Blomstedt scheute auch die Übersteuerung des Orchesters nicht, Kavakos stürzte sich voller Musizierlust in das Auf und Ab der Gefühle. Das war Romantik aus einer Symbiose von Westküste, Wien und Värmland.

Vom Norddeutschen Brahms zum Dänen Nielsen aus Fünen ist weder geographisch noch gefühlsmäßig ein weiter Weg. Nielsens Freude am Leben jedoch ist naiver, landverbundener. Und so kommt seine dauerhafte 5. Sinfonie als ein steter Wechsel von Naturlyrik und Volksleben, sucht Kontraste in Lautstärke und Tempo-Wechsel, hat Freude an plötzlichen Echowirkungen, frappiert hier mit einem Tuba- und dort mit einem gerührten Trommel-Solo. Herbert Blomstedt, der sich seit vielen für Nielsen einsetzt, wies mit seinen markanten knappen Arm- und Handbewegungen den NDR-Sinfonikern den Weg durch die sehr dichte, oft lautstarke Partitur.

Das Publikum dankte fast ebenso lautstark für diese enorme Leistung eines Erzmusikanten, der nun schon seit sechs Jahrzehnten so uneitel, so positiv der Musik dient wie kein zweiter Dirigent. Und er, der zum Dirigentenpult geleitet wurde und dort sitzend zwei schwere Partituren in seiner unnachahmbaren Manier umsetzte, ließ seine Freude an der Musik und seinen Respekt vor ihren Interpreten mit einer Geste erkennen: Bescheiden an der Podiumtür stehend, hörte er zu, wie Leonidas Kavakos dem scheidenden 1. Konzertmeister Roland Greutter die Ehre gab, mit ihm zwei Bartok-Duos zu virtuosieren. Auch hier: Ganz großer Applaus.

Das 8. Sinfoniekonzert des NDR-Elbphilharmonieorchesters in der MuK werden die Besucher, es waren diesmal erfreulich viele, als historisch in Erinnerung behalten. Foto: Archiv

Das 8. Sinfoniekonzert des NDR-Elbphilharmonieorchesters in der MuK werden die Besucher, es waren diesmal erfreulich viele, als historisch in Erinnerung behalten. Foto: Archiv


Text-Nummer: 159216   Autor: Güz   vom 10.06.2023 um 11.31 Uhr

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