Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Ägyptens

Lübeck: Archiv - 17.06.2023, 09.00 Uhr: War früher wirklich alles besser? Dieser Frage geht Pastorin i.R. Ellen Naß in ihren Gedanken zum Wochenende nach. Bereits in der Bibel wird auf dieses Thema eingegangen.

Kennen Sie die Redewendung von den Fleischtöpfen Ägyptens? Sie scheint aus dem Sprachgebrauch verschwunden zu sein. Früher war das eine gängige Redensart, dass gesagt wurde, dass Menschen sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens sehnen. Diese Fleischtöpfe sind nicht ein besonders leckeres Rezept, sie sind auch kein Lob der ägyptischen Küche, sondern die Redewendung stammt aus der Bibel, aus den Urzeiten der Geschichte Israels.

Der Ursprung des Volkes Israel liegt in der Erzählung vom Auszug aus Ägypten. Mose führte sie hinaus, aber sie sind dann, so wird es erzählt, vierzig Jahre lang durch die Wüste geirrt, bevor sie das gelobte Land erreichten. In dieser Zeit gab Gott ihnen die zehn Gebote, die wir heute noch kennen. Wenn sie sich in dieser Zeit über Gott, über Mose ärgerten, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten, dann schimpften sie auf Gott, sehnten sich zurück nach den Fleischtöpfen Ägyptens.

Der Witz daran war, dass es diese Fleischtöpfe gar nicht gegeben hatte. Sie hatten Ägypten ja nicht ohne guten Grund verlassen. Sie hatten dort als Sklaven gelebt, hungerten, schufteten, wurden geschlagen und getötet. Deshalb spricht man von diesen Fleischtöpfen, wenn Menschen sich nach Zeiten zurücksehnen, die nur vielleicht, in der Erinnerung gut waren. „Früher war mehr Lametta, früher waren die Winter weißer, unter Hitler war nicht alles schlecht“, das sind so klassische Sätze, die die Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Ägyptens ausdrücken.

Die vielen Revival von vergangenen Jahrzehnten bestärken das, ich habe die Zeiten teilweise völlig anders in Erinnerung, und möchte ein Leben ohne die modernen Annehmlichkeiten, ohne die Freiheiten der heutigen Zeit, auf keinen Fall zurückhaben. Denken Sie einmal darüber nach, wie die Zeiten für Sie wirklich waren. Für meinen Vater war Karlsmarkt, der Ort in Schlesien, aus dem seine Familie stammte, der schönste Ort auf der Welt. Wäre er dort noch einmal hingekommenen, wäre sicherlich die Realität eine ganz andere gewesen, eine Erfahrung, die viele Geflüchtete machen dürften.

Natürlich hat man auch in Zeiten der Diktatur Feste gefeiert, sich verliebt, Kinder bekommen, sich gefreut und Schönes erlebt, es gab Freundschaften, Sommer, Spaß. Andererseits, wenn ich gelesen habe, dass sich hinterher mehrfach herausgestellt hat, dass bei diesen schönen Veranstaltungen Spitzel anwesend waren, die weiter berichteten, dann wird die Freude im Nachhinein getrübt, jedenfalls würde sie das für mich. Heute ist der 17. Juni. Vor genau 70 Jahren haben Menschen alles riskiert, Leben und Freiheit, um gegen ein System aufzustehen, von dem inzwischen vieles verklärt wird. Vielleicht wäre vieles anders gekommenen, wenn wir diesen Tag als Feiertag des Gedenkens beibehalten hätten.

Wir sollten uns nicht nach den Fleischtöpfen Ägyptens, den weißen Wintern, der Sicherheit und nach etwas sehnen, was einmal war, sondern dankbar auf das blicken, was wir jetzt haben. Selbst wenn es nicht das ist, was wir uns erträumt haben - trotzdem kann ich Gott danken dafür, wie es eben ist, und versuchen, das Beste daraus zu machen. Der Weg zurück nach Ägypten hätte nicht Fleisch im Überfluss bedeutet (damals der höchste denkbare Luxus), sondern wieder Sklavenarbeit, Leid und Hunger.

Mit dem verklärten Blick nach hinten schaden wir nur uns und anderen. Ich sehe im Moment mit Schrecken, welche Ausmaß dieses: „Früher war alles besser und so schlimm war das, was wir damals unbedingt ändern und verlassen wollten, doch gar nicht“, annimmt. Die Fleischtöpfe Ägyptens hat es nie gegeben, sie kamen nur vor in der Erinnerung und wegen der Unzufriedenheit mit dem Leben, wie es gerade war.

Das Leben leben wir heute, es gibt viel Schönes und Gutes, wenn wir nur darauf achten. Wenn wir sehnsüchtig nach hinten blicken, verlieren wir die Schönheiten von heute aus dem Blick. Denn das Leben HEUTE ist schön, und wir können Gott jeden Tag dafür danken. Er hat sein Volk letztlich aus der Wüste in das gelobte Land geführt, wir müssen Ihm nur folgen.

Pastorin i.R. Ellen Naß geht auf die Bibelerzählung der Fleischtöpfe Ägyptens ein.

Pastorin i.R. Ellen Naß geht auf die Bibelerzählung der Fleischtöpfe Ägyptens ein.


Text-Nummer: 159388   Autor: red.   vom 17.06.2023 um 09.00 Uhr

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