BIRL zu Buddenbrooks: Ist das Projekt noch zu retten?

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 20.06.2023, 14.49 Uhr: „Neues Buddenbrookhaus: Ist das Projekt noch zu retten?“ fragt die „Bürgerinitiative Rettet Lübeck e.V.“ (BIRL) und veröffentlicht in diesem Zusammenhang einen Text zur Buddenbrook-Planung. Der Text im Wortlaut:

„Das Projekt „Neues Buddenbrookhaus“ der Stadt Lübeck (unter Federführung der „Kulturstiftung“ und der Bauverwaltung) wurde mit Nachdruck von der Politik, namentlich der Lübecker SPD unter Jan Lindenau und von der CDU-geführten Landesregierung unterstützt. Knapp 20 Millionen Euro will Kiel dafür hergeben. Man war davon überzeugt, dass es hier um ein „wirtschaftlich erfolgreiches, überregional bedeutendes kulturtouristisches Leuchtturm-Projekt“ geht, das dringend förderwürdig ist. Doch einige Zweifel wären angebracht gewesen. Die Angaben der Buddenbrookplaner zum Platz- und Raumbedarf wurden nie fachlich hinterfragt. Der unbeirrbare Fortgang des Planungsgeschehens beruht also weniger auf der Hartnäckigkeit der Museumsplaner als vielmehr darauf, dass eine museumsfachliche Überprüfung als unzulässiger Eingriff in die Zuständigkeit und fachliche Kompetenz der Projekt-Betreiber tabuisiert wurde. Immerhin hat Lübecks Bürgerschaft jetzt eine Pause zum „Überdenken“ durchgesetzt.

Die Buddenbrook-Planung begann um 1990 mit Übernahme das Hauses Mengstraße 4 (einem Bank-Neubau von 1955). 2002 gab es den „Europäischen Museumspreis“ für den Infotainment-Ausbau im Obergeschoss. Mit Hinzu-Kauf des benachbarten vormaligen Karstadt-Mitarbeiter- und Betriebsrat-Gebäudes Mengstraße 6 wurde offensichtlich, dass „Größeres“ angedacht war: Beide Häuser genügten im Bestand aber nicht der beabsichtigten Profil-Schärfung und Bedeutung-Einforderung. In solchen Fällen muss ein repräsentativer Neubau her – hier unter „Hinnahme“ der wie Briefmarken drangeklebten alten Fassaden, die man immerhin für fiktive, gar falsche Narrative („amazing family“) würde brauchen können. Das begrenzte Baufeld war und ist für einen solch großspurigen Auftritt absolut ungeeignet. Es gibt keine rückwärtigen Flächen für An- und Erweiterungsbauten.

Die Beförderer stehen heute faktisch wieder da, wo sie 2020 schon mal standen. Damals stützte man sich auf eine bereits 2014 verfasste „Machbarkeitsstudie“, die den Vorstellungen der Projekt-Betreiber entsprochen hatte. Dieses gebäudekundlich unzureichende Gutachten wurde Grundlage des 2018 entschiedenen Architekten-Realisierungs-Wettbewerbs. Die preisgekrönte Planung war voller ungelöster Probleme, die aber erst mit der „Entdeckung“ der Existenz von Denkmalschutz offenkundig wurden. Bei den vielen folgenden Lösungsversuchen der Planer blieben Raum-Bedarf und „Szenographie“ des NBBH-Konzepts wundersamerweise immer unangetastet.

In der gegenwärtigen Situation müssen die Planer alles dran setzen, ihr Vorhaben zu retten. Dafür wird erneut eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten soll unter anderem herausfinden, wie die „Lage der Treppe in den Gewölbekeller Mengstraße 6 umzuplanen ist, indem „Varianten zur Erschließung der Keller von Mengstraße 6 (und 4) auszudenken sind (als ob die beauftragten Architekten nicht schon alle „Varianten“ durchgespielt hätten). Aber wieder heißt es: „Die grundsätzliche Organisation des Gebäudes soll nicht in Frage gestellt werden. Ein größtmöglicher Erhalt ist anzustreben“ (gemeint ist natürlich Erhalt des Konzepts, nicht der bestehenden Gebäude). Der Vorschlag eines Baubeamten, das Raumprogramm (die „Szenographie“) ein wenig zu reduzieren, wurde großzügig übergangen. Unter dieser Maßgabe ist Scheitern vorprogrammiert.

Doch die Arbeiten in den Häusern Meng 4 und 6 sind längst angelaufen. Fast 6 Millionen Euro sind bereits fest beauftragt, einiges ist schon abgerechnet, so die denkmalfachlich höchst umstrittene Verkleidung der Keller mit „Opferputz“ (geplant ist sogar der Einbau einer längst diskreditierten „Thermischen Konservierung“).
Hinzu kommen jetzt die finanziellen Aufwendungen für den finalen Rettungsversuch. Es wird vorgerechnet, dass Mehrkosten entstehen, die gemäß Richtlinien nicht förderfähig sind (das Kieler Ressort „Förderprogramm Wirtschaft“ bezweifelt, ob mit diesen Änderungen und Verzögerungen noch eine „Förderungswürdigkeit“ besteht). Da machen unsere Planer schnell ihren Schlussstrich: „Die Kulturstiftung kann die Mehrkosten nicht mehr durch Drittmittel finanzieren. Die Kosten müssten von der Hansestadt Lübeck getragen werden“.
Auf die Schuldzuweisungen darf man gespannt sein.

Merke: Wer mit dem Kopf durch die Wand will, bleibt manchmal mit dem Kopf drin stecken.

Im Sprecherkreis der BIRL fanden diese Vorschläge Zustimmung:

1. Die beiden bestehenden Häuser Mengstr. 4 und 6 werden nicht abgebrochen, sondern im Bestand saniert. Begründung: Abbruch von solider und nutzbarer Bausubstanz passt nicht mehr in unsere Zeit (Stichwort: „graue Energie“). Als das Buddenbrooks-Konzept vor 15 Jahren ausgedacht wurde, durfte man ökologische und energiepolitische Bedenken noch großzügig ausblenden. Heute hat nachhaltiges „Bauen im Bestand“ Priorität. Mit diesem Ansatz ließe sich auch ein neuer Förder-Antrag begründen. – Erspart wird auch die „Zwischenlagerung“ der Fassaden, die in Teile zersägt, weggebracht und dem Neubaukubus später wieder vorgeklebt werden sollen, angeblich um die Baustellenlogistik zu erleichtern.

2. Ein weiterer Spareffekt ergibt sich durch Beibehalt der Durchfahrt Mengstraße 6 in der rechten Haushälfte. Damit entfallen Kosten für „Ertüchtigung“ der Kellerwölbung und der nach Plan nach links zu verlegenden Fahrbahn. Die Durchfahrt ist heutzutage zwar komplett unsinnig und „gehörte längst weg“, aber solange die Stadt nicht willens ist, vorhandene Rechtsmittel zur Änderung von Parzellen-Zuschnitten anzuwenden, gebietet die Vernunft den Erhalt des status quo.

3. Es wird nahegelegt, sich mit der Übernahme, Ankauf der Marienwehde Mengstraße 8 für Zwecke des Buddenbrookhauses zu befassen. Der Eigentümer Amtskirche dürfte Gesprächen aufgeschlossen sein, denn der Planungsstab fürs NBBH arbeitet schon lange in der angemieteten Wehde. Zusätzlich wäre durch Wieder-Errichtung der vormaligen Hof-Umbauung Raum für Büro-, Arbeits- und Archiv-Flächen inklusive Haustechnik geschaffen, der in den Häusern Mengstraße 4/6 fehlt.

Von Vorteil wäre die Hereinnahme einer „literarischen Spur“: Pastoren und Organisten, die im Buddenbrook-Roman eine große Rolle spielen, wirkten unter anderem auch hier in der Wehde. Ein Narrativ, das den Kaufmanns- und Mann-Familie-lastigen Grundtenor des Infotainment-Konzepts bereichern könnte.“

Lübeck am 20. Juni 2023
Für den Vorstand der BIRL zeichnen
Maren Dünchem Manfred Finke

Die „Bürgerinitiative Rettet Lübeck e.V.“ (BIRL) spricht sich für den Ankauf eines weiteren Gebäudes in der Mengstraße aus. Foto: Archiv

Die „Bürgerinitiative Rettet Lübeck e.V.“ (BIRL) spricht sich für den Ankauf eines weiteren Gebäudes in der Mengstraße aus. Foto: Archiv


Text-Nummer: 159460   Autor: BIRL/red.   vom 20.06.2023 um 14.49 Uhr

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