Buddenbrookhaus: Sorge um Museumsprojekt

Lübeck: Archiv - 28.06.2023, 12.09 Uhr: Unter dem Titel „Das Neue Buddenbrookhaus – Sorge um Museumsprojekt in Lübeck“ haben die Lübecker Museen eine lange Stellungnahme veröffentlicht. Weiter wird zur Diskussion in die „Buddenbrooks-BauBar“ am Montag, 3. Juli, um 17:00 Uhr im Infocenter und Museumsshop „Buddenbrooks am Markt“ (Markt 15) eingeladen.

Die Mitteilung im Wortlaut:

Das Literaturmuseum „Buddenbrookhaus. Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum“ in Lübeck ist Leben und Werk der Schriftstellerfamilie Mann gewidmet. Als Handlungsort des nobelpreisgekrönten Romans „Buddenbrooks“ von Thomas Mann ist das Haus in der Mengstraße 4 zu Lübeck mit seiner ikonischen weißen Rokokofassade und der Inschrift „Dominus providebit“ („Der Herr wird vorsorgen“) über dem Portal weltberühmt geworden. 2023 feiert das Buddenbrookhaus seinen 30. Geburtstag als Museum. Es gehört zu den beliebtesten norddeutschen Ausflugszielen von Kulturtouristen aus aller Welt: Über 90% der Besucher kommen nicht aus Lübeck.

Die Besucherzahlen (im Jahr 2019 vor seiner Schließung waren es 51.478 Besucher), die wachsende Sammlung, die größer werdende Bibliothek - sie haben das Haus an den Rand seiner Kapazitäten geführt. Es fehlte an museumspädagogischen Räumen, Bau und Ausstellung waren nicht ausreichend barrierefrei, die zwanzig Jahre alte Ausstellung war gestalterisch und inhaltlich in die Jahre gekommen. Deshalb hat der Bund den Ankauf des Nachbargrundstücks, Mengstraße 6, finanziert, wodurch das Buddenbrookhaus die Chance erhielt, seine Fläche zu verdoppeln. Bis 2028 soll hier ein neues Museum mit einer völlig neuen Dauerausstellung entstehen, das darauf zielt, das kulturelle Erbe der wohl berühmtesten deutschen Familie, den Manns, erlebbar zu machen. Zu diesem Zweck werden die Bestandsgebäude abseits der denkmalgeschützten Bauteile rückgebaut: Es entsteht ein Museumsbau, der den historischen Bestand integriert, der barrierefrei ist, eine optimale museale Nutzung ermöglicht und die Baugeschichte der Häuser respektiert. Das NEUE Buddenbrookhaus will wieder ein Gefühl für die historische Weite und Großzügigkeit des früheren Kaufmannshauses schaffen, das im Krieg bis auf die Grundmauern zerstört wurde.

Das Land Schleswig-Holstein hat seine Unterstützung für das Projekt zugesichert: Es trägt 70 Prozent der geplanten Baukosten. Die Hansestadt Lübeck beteiligt sich mit gut 10 Prozent an der Gesamtfinanzierung; den Rest der Finanzierung stellt die Kulturstiftung Hansestadt Lübeck als Betreiberin durch die Akquise von Spenden.

Aktuell besteht die Sorge, dass dieses für Lübeck und die Literatur in Deutschland so wichtige Projekt gefährdet ist. Nachdem der Umbau bereits von den zuständigen politischen Gremien abgesegnet und vom Land Schleswig-Holstein mit 19 Millionen bezuschusst wurde, hatte eine Bürgerinitiative gefordert, dass das mittelalterliche Kellergewölbe unterhalb der Mengstraße 6, das zur Nutzung als Veranstaltungsraum für das Museum zugunsten eines gesetzlich vorgeschriebenen Fluchtwegs auf einer kleinen Fläche hätte durchstoßen werden müssen, nicht beschädigt werden dürfe. Diese Sorge hatte zusammen mit Bedenken gegenüber den geplanten Baukosten dazu geführt, dass sich die Bürgerschaft am 23. Februar 2023 nach Start erster Umbaumaßnahmen doch für den vollständigen Erhalt des historischen Kellergewölbes aussprach und der Umbau zugunsten der Prüfung von Alternativen nicht wie geplant und genehmigt fortgeführt werden kann. Die öffentliche und politische Debatte um das Buddenbrookhaus konzentriert sich auf Einzelaspekte des Bauvorhabens, deren Auswirkungen auf die Gesamtplanung unterschätzt werden, und stützt sich auf unvollständige Kenntnis beziehungsweise Verbreitung von Informationen zu den Planungsgrundlagen und dem Planungsprozess. Sie gipfelt darin, nach Beginn der Umsetzung die Sinnhaftigkeit des Gesamtprojekts anzuzweifeln.

Die Kulturstiftung Hansestadt Lübeck als Betreiberin des Buddenbrookhauses nimmt dazu wie folgt Stellung:

Es ist nicht richtig, dass das Projekt „Das NEUE Buddenbrookhaus“ politisch nur von einer einzigen Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft sowie der amtierenden Landesregierung in Schleswig-Holstein unterstützt wird. Die Bauherrin des Projekts „Das NEUE Buddenbrookhaus“ ist die Hansestadt Lübeck; die Kulturstiftung vertritt bei der Erneuerung des Buddenbrookhauses die Interessen der Betreiberin. Da es sich also um ein öffentliches Bauvorhaben handelt, war das Projekt wiederholt und über Jahre hinweg immer wieder Gegenstand zahlreicher Abstimmungen in der Bürgerschaft sowie in mehreren Ausschüssen der Hansestadt Lübeck. Vom Ankauf der Mengstraße 6 an mit dem Ziel, das Buddenbrookhaus um eben dieses benachbarte Grundstück zu erweitern, bis hin zur Projektfreigabe in der Lübecker Bürgerschaft im September 2021 wurde das Projekt „Das NEUE Buddenbrookhaus“ von einer breiten politischen Mehrheit unterstützt. „Das NEUE Buddenbrookhaus“ wurde ähnlich wie in der Kommune immer von wechselnden Regierungskoalitionen getragen und genießt im Land wie auch im Bund parteiübergreifende Zustimmung und Unterstützung.

Die Aussage, der Platz- und Raumbedarf ebenso wie das gesamte Ausstellungskonzept des Museums, seien niemals hinterfragt worden, ist falsch. Das ist wiederholt und über Jahre hinweg immer wieder geschehen: durch den wissenschaftlichen Beirat des Buddenbrookhauses, im Rahmen der ersten Machbarkeitsstudie 2014, im Kontext der wirtschaftlichen Machbarkeitsprüfung 2016/17, im Zusammenhang mit der grundlegenden Bedarfsplanung als Basis für den internationalen Planungswettbewerb, im Wettbewerbsverfahren selbst und in den frühen Leistungsphasen der Projektplanung. Im Ergebnis hat die Kulturstiftung als Bertreiberin das ursprüngliche Raumprogramm bis hin zum genehmigten Bauantrag drastisch reduziert. Insgesamt hat sich allein die Fläche für Ausstellungen, Museumsshop, Bibliothek und Verwaltung um 437 m² im Vergleich zum Raumprogramm des Wettbewerbs verringert. Zudem wird auf bestimmte Sonderflächen wie einen Veranstaltungsraum, eine Werkstatt für die Haustechniker und einen Sozialraum gänzlich verzichtet. Das sind etwa 200 weitere m² Nutzungsfläche, die nicht realisiert werden.

Der reine Baupreis beträgt laut Kostenberechnung zum hochbaulichen Entwurf 5.515,00 Euro brutto pro Quadratmeter.

Die Aussage, es könne einfacher und günstiger sein, im Bestand umzubauen, ist falsch. Die Entscheidung, nicht im Bestand umzubauen, sondern die denkmalgeschützten Bauteile in einen Neubau zu integrieren, hat pragmatische Gründe: Weder das Buddenbrookhaus, das nach dem Krieg als Bankgebäude wiederaufgebaut wurde, noch die Mengstraße 6, ein Bürobau-Mix der 1960er bis 1990er- Jahre, wurden für eine museale oder öffentliche Nutzung geplant. Zudem sind die Geschosshöhen der denkmalgeschützten Fassaden unterschiedlich, auch trennt eine Durchfahrt die Häuser voneinander. Ein barrierefreier Umbau im Bestand, der den Vorgaben von Bauordnung, Brandschutz und den Bedürfnissen eines Museums entspricht, wäre nur mit weit schlechterem Ergebnis bei deutlich höheren Kosten zu realisieren. Dies hat die Machbarkeitsstudie 2014 ergeben, die extern von einem Hamburger Architekturbüro erarbeitet wurde. In diese Studie war die Denkmalpflege, anders als öffentlich behauptet, von Anfang an einbezogen. Auch auf die Durchfahrt kann, so sehr es sich das Museum selbst gewünscht hätte, nicht verzichtet werden. Im Neubau wird sie nach Westen verlagert, um im Erdgeschoss eine einheitliche Nutzfläche herstellen zu können, als Feuerwehrdurchfahrt kann sie aber gemäß geltender Vorschriften nicht aufgegeben werden.

Die Annahme, „Das NEUE Buddenbrookhaus“ sei energetisch und ökologisch leichtfertig geplant, läuft fehl: Es wurde ein Energieberater in die Planung miteinbezogen, zumal die Förderrichtlinie des Landes hohe energetische Standards als Fördervoraussetzung formuliert. Dieser Entwurfsstand entspricht dem Jahr 2022 und ist mitnichten 15 Jahre alt, wie in einem Pressestatement von Kritikern des Projekts zu lesen war.

Dass nunmehr appelliert wurde, im Zuge der von der Bürgerschaft beschlossenen Umplanung der Kellererschließung, die grundsätzliche Organisation des Gebäudes nicht in Frage zu stellen, hat nichts mit der Eitelkeit der Projektverantwortlichen zu tun, sondern mit rechtlichen Erwägungen und Kosten: Je stärker das Ergebnis vom Siegerentwurf des Wettbewerbs abweicht, desto größer wird die Gefahr, die Wettbewerbsaufgabe neu formulieren zu müssen, um das Vergaberecht nicht zu verletzten. Ferner würden die Kosten der Umplanung, je substanzieller sie in den Entwurf eingreift, höher – und die Umplanung würde länger dauern, während parallel die Baupreise weiter steigen. Der Leitende Direktor der Lübecker Museen, Dr. Tilmann von Stockhausen ist in großer Sorge: „In der weit fortgeschrittenen Planung jetzt noch einmal alles umzuplanen, wird Zeit und Geld kosten. Lübeck ohne Heinrich und Thomas Mann ist wie Lübeck ohne Marzipan. Das Buddenbrookhaus ist das kulturelle Aushängeschild der Hansestadt und wird schon jetzt von deren Besuchern schmerzlich vermisst.“

Den Beschluss, „Das NEUE Buddenbrookhaus“ ohne Eingriffe in das denkmalschützte Kellergewölbe zu realisieren, hat die Bürgerschaft als höchstes demokratisch gewähltes Gremium der Hansestadt Lübeck gefällt. Auf die Mehrkosten, die durch eine Umplanung entstehen würden, ist mündlich in Ausschüssen und Bürgerschaft sowie schriftlich in Stellungnahmen und Vorlagen der Verwaltung immer wieder hingewiesen worden. Die Presse hat darüber berichtet. Ebenso war das damit verbundene finanzielle Risiko stets bekannt, dass das Land diese Mehrkosten nicht tragen wird. Niemand kann sich darüber nun überrascht zeigen.

Der Beschluss der Bürgerschaft ist zu respektieren. Die Kulturstiftung unterstützt die Bauherrin bei ihren Bestrebungen zur Umplanung: In einer Machbarkeitsstudie sollen drei Varianten zur Kellererschließung geprüft werden, die das Gewölbe der Keller nicht durchdringen. Diese drei Varianten liegen bereits in einer hochbaulichen Skizze vor, sind aber rechtlich, statisch, gebäudetechnisch, brandschutztechnisch etc. nicht umfassend geprüft worden. Die Studie wird also die einzelnen Varianten auf ihre Machbarkeit hin untersuchen, was auch bedeutet, die Bauzeit und Kosten zu schätzen. Auf der Grundlage der Studienergebnisse soll die Bürgerschaft entscheiden, welche Variante im Entwurf weiterverfolgt und schließlich gebaut wird. „Transparenter und demokratischer kann im öffentlichen Bauen kaum agiert werden“, befindet Dr. Birte Lipinski, die Museumsleiterin des Buddenbrookhauses. „Wir hoffen sehr, dass die Bürgerschaft diesem Verfahren in ihrer nächsten Sitzung zustimmen wird.“

Lipinski lädt alle Interessierten ein, der mehrfach ausgesprochenen Einladung zur „Buddenbrooks BauBar“ zu folgen: Hierbei handelt es sich um einen kostenfreien ‚After Work-Treff‘ zum Umbau des Buddenbrookhauses, der jeden ersten Montag im Monat am Rathausinnenhof in Lübeck stattfindet. Dieser Termin ist genau zu dem Zweck initiiert worden, Fragen zum Projekt klären, Vorschläge aufgreifen und Einwände vorbringen zu können. „Wir stellen uns hier auch immer wieder kritischen Debatten“, sagt die Museumsleiterin. „Wir nehmen Vorbehalte sehr ernst, gerade weil uns an einem bestmöglichen Museum liegt. Wir weisen aber diffamierende Kritik zurück, die die fachliche Kompetenz der Projektverantwortlichen von der Kuratorin über den Restaurator bis hin zum Bauleiter pauschal anzweifelt.“ Mit Sorge erfülle sie, so Lipinski weiter, dass damit auch dem Projekt insgesamt geschadet werde. „Thomas Mann ist der bedeutendste Prosaschriftsteller deutscher Sprache, der nobelpreisgekrönte Lübeck-Roman ‚Buddenbrooks‘ zählt zu den berühmtesten und erfolgreichsten Büchern der Moderne. Die Schriftstellerfamilie Mann steht in ihrem Engagement gegen den Nationalsozialismus für ein anderes, ein besseres Deutschland. Damit ist das Buddenbrookhaus ein einzigartiger Ort der Literaturvermittlung und Demokratiebildung.“ Je haltloser die Anschuldigungen gegen das Museum und seine Erneuerung würden, desto mehr würde dieses Erbe verspielt und Förderer des Projekts verprellt.

Die nächste „Buddenbrooks-BauBar“ findet am Montag, 3. Juli, um 17 Uhr im Infocenter und Museumsshop „Buddenbrooks am Markt“, Markt 15, 23552 Lübeck, statt. Der Eintritt ist frei, für das leibliche Wohl ist gesorgt.

Die Lübecker Museen haben am 28. Juni ein langes Statement zum Thema „Buddenbrookhaus“ veröffentlicht. Foto: Archiv

Die Lübecker Museen haben am 28. Juni ein langes Statement zum Thema „Buddenbrookhaus“ veröffentlicht. Foto: Archiv


Text-Nummer: 159639   Autor: Museen/red.   vom 28.06.2023 um 12.09 Uhr

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