Neue Karate-Weltmeister aus dem Norden
Lübeck - St. Lorenz Nord: Archiv - 20.08.2023, 11.46 Uhr: Wer an Karate denkt, denkt unweigerlich an Japan. Doch am vergangenen 12. und 13. August stand die Hansehalle in Lübeck im Zentrum der Karatewelt. Rund 350 Sportler aus 20 Ländern kämpften hier ihre Weltmeisterschaft aus – vor einem Publikum, das ebenso engagiert war wie die Athleten.„Wir durften schon Gastgeber für die erste Weltmeisterschaft der Japanese Shotokan Karate Association (JSKA) im Jahr 2002 sein“, sagt Wettkampfdirektor Dieter Flindt. „Und es war der persönliche Wunsch unseres Verbandsgründers Keigo Abe, dass wir auch den 10. World Cup in Lübeck ausrichten.“
Der 2019 verstorbene Meister hätte sich am Wochenende in seiner Wahl bestätigt gefühlt. Nicht nur auf den Kampfflächen wurden zwei Tage lang Spitzenleistungen dargeboten, auch auf den meist dicht besetzten Rängen wurde der Sport gefeiert. Schweizer Kuhglocken, südamerikanische Vuvuzela und schottische Fanchöre feuerten ihre Stars um die Wette an. Aber auch die kleinen und neuen Teilnehmer wurden bejubelt. Etwa Angola, dessen Nachwuchs bei den Kindern erfolgreich war. Oder das Frauen-Team aus Katar. „Wir sind zum ersten Mal dabei“, freut sich die Trainerin. „Und gleich ist eine von uns Weltmeisterin geworden.“
Karate ist nicht gleich Karate. Es gibt verschiedene Stile und in jedem Stil häufig unterschiedliche Verbände, die sich für den Laien kaum voneinander unterscheiden. „Bei der JSKA legen wir mehr Wert auf die Tradition des Karates, wie es früher gedacht war“, erklärt Dieter Flindt den Unterschied zur olympischen Form des Karates, das sportlicher ausgerichtet ist. „Deshalb dauert ein Kumite genannter Zweikampf bei uns nur so lange, bis einer der Kämpfer zwei halbe oder einen ganzen Punkt erzielt hat, wie beim Judo. Aber die Ansprüche, wann eine Technik gewertet wird, sind sehr hoch.“
Nicht zu hoch für Toni Jerbov. Der Ergotherapeut aus Bad Oldesloe hatte seine Gegner in allen Vorrunden und im Finale stets unter Kontrolle und darf sich nun Weltmeister nennen. Sein Geheimnis liegt in der Konzentration. „Bevor es losgeht, bin ich immer ein bisschen aufgeregt. Aber sobald ich in der Kampffläche stehe, bin ich total im Tunnel. Dann verschwindet ringsum alles für mich.“ Wie man sich voll auf eine Sache konzentriert, vermittelt Jerbov in seinem Karate-Training auch an Kinder mit ADHS, körperlichen Behinderungen oder anderen Handicaps. „Das ist dann kein Leistungssport, sondern Karate für alle“, sagt er.
Neben dem Zweikampf gibt es im Karate noch die Einzelübung Kata. „Das ist die ursprüngliche Form des Karates“, erklärt Felix Diefenbacher, Trainer vom TSV Ratekau und frisch gebackener Weltmeister in dieser Disziplin. „Obwohl man sie alleine ausführt, ist es eigentlich ein Kampf gegen mehrere Angreifer, die man sich eben vorstellen muss.“ Die Reihenfolge der Techniken ist dabei genau vorgegeben. Bewertet werden die Exaktheit und der Ausdruck bei der Ausführung.
Die Kata scheint eine Spezialität der Norddeutschen zu sein. Außer Felix Diefenbacher holte sich auch Toni Jerbov in seiner Altersklasse den Titel bei den Männern sowie Nele Segner von der Karateschule Ken-Kyo in Sülfeld und Lara Marquardt von der Schwartauer Karateschule Tokugawa. Nele Segner wurde zusätzlich noch Vizemeisterin im Zweikampf – mit kaum mehr als einer Minute Pause zwischen beiden Finalen.
Ernsthaft verletzt wurde trotz mehrerer hundert Einzelkämpfe übrigens niemand. „Karate ist ein extrem fairer Sport“, sagt Dr. Mathias Tomala, der Chef des medizinischen Teams, das sicherheitshalber die gesamte Zeit vor Ort am Rand der Kampfzone war. Blaue Flecken zählen aber nicht. „Wer aus Angola hierher zur WM anreist, schert sich nicht um eine kleine Prellung.“
Ob die erfolgreichen Sportler ihre Titel bei der nächsten WM verteidigen können, ist leider ungewiss. Das nächste Mal findet der World Cup 2025 in Tokio statt, und solch eine weite Reise kann sich nicht jeder Sportler leisten. Aber vielleicht finden sich bis dahin ein paar Sponsoren, die gerne Weltmeister mit dem richtigen Wumms unterstützen möchten.
Die erwachsenen Weltmeister der Dan-Träger (schwarzer Gürtel) aus dem Lübecker Raum:
Frauen
Kata
18-21 Jahre: Lara Marquardt, Tokugawa, Bad Schwartau
22-30 Jahre: Nele Segner, Ken-Kyo, Sülfeld
40-49 Jahre: Verena Wirth, Karasu Tengu, Gadebusch
Kumite
40-49 Jahre: Verena Wirth, Karasu Tengu, Gadebusch
50-59 Jahre: Inka Spiller, Tsunayoshi, Mölln
Männer:
Kata
22-30 Jahre: Felix Diefenbacher, Sonkei KaRatekau, Ratekau
31-39 Jahre: Toni Jerbov, Kan-Yoh Ahrensburg
40-49 Jahre: Matthias Schmidt, Kan-Yoh, Bad Oldesloe
50-59 Jahre: Mario Lübke, Dojo Ronin, Schwerin
Kumite
31-39 Jahre: Toni Jerbov, Kan-Yoh Ahrensburg
50-59 Jahre: Mario Lübke, Dojo Ronin, Schwerin
Würfe wie dieser Fußfeger kommen im Karate eher selten vor. Fotos: fritsche-foto
Text-Nummer: 160654 Autor: Veranstalter/red. vom 20.08.2023 um 11.46 Uhr