Recht und Gerechtigkeit

Lübeck: Archiv - 16.09.2023, 12.31 Uhr: Pastorin i.R. Ellen Naß geht in ihren Gedanken zum Wochenende auf das Thema "Recht und Gerechtigkeit" ein. Anlass sind schwere und unverständliche Gewalttaten, über die in der vergangenen Zeit berichtet wurde.

In der letzten Woche erschütterte wieder einmal ein schweres Verbrechen Schleswig Holstein. Eine Frau wurde gesucht – ein Mann sollte sie entführt und irgendwo auf einem großen Gelände versteckt haben. Ich muss zugeben, dass ich zuerst an eine Räuberpistole glaubte, das ganze schien zu unwirklich und realitätsfern.

Inzwischen wurde die Frau gefunden – und es stellte sich heraus, dass die Angst berechtigt war, dass es alles ganz genau so war. Es war alles noch viel schlimmer: Er hatte sie gestalkt, schon einmal entführt und mit einem Baseballschläger schlimm misshandelt. Er durfte sich ihr nicht nähern, hat es aber trotzdem getan, hat sie danach noch einmal vergewaltigt.

Trotzdem blieb er auf freiem Fuß, er erweckte den Eindruck, als würde er es nicht wieder tun. Das Ergebnis kennen wir: Die Entführung, die tagelange Suche von vielen Polizisten und Polizistinnen, schließlich konnte sie kurz ihr Handy anschalten und wurde dadurch gefunden. Unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind bei ihr.

Offen blieb die Frage, wie das geschehen konnte. Ein Mann hat eine Frau zwei Mal angegriffen, schwer verletzt, immer wieder belästigt – und es geschah nichts, bis jetzt.

Es betrifft ja nicht nur diese Frau, die für ihr Leben wahrscheinlich gezeichnet ist. Es betrifft uns alle, vor allem uns Frauen. Aber auch Männer sind betroffen – meine beiden Söhne wurden jeweils schon Opfer von unprovozierter Gewalt. Wir alle überlegen uns nach solchen Vorfällen, was wir tun, ob wir abends auf die Straße gehen, ob wir uns wehren sollen, ob es Sinn hat, jemanden anzuzeigen, der uns stalkt, verletzt oder verprügelt. Vielleicht machen wir ja dadurch alles nur noch schlimmer, so fragen wir uns, und helfen tut uns – wie dieser Frau – sowieso keiner.

Wenn so etwas passiert – bei dem Attentat im Zug bei Brokstedt gab es ja ähnliche Fragen und Probleme – dann erinnert es mich immer wieder daran, dass Gott in der Bibel als gerecht dargestellt wird, als jemand, der Recht und Gerechtigkeit walten lässt, der gut uns gerecht richtet. Es erinnert mich daran, wie wichtig ein Rechtsstaat ist, wie gut es ist, dass wir im Prinzip in einem Rechtsstaat leben. Aber Gott schafft eben nicht nur Recht – Recht mag ja dafür gesorgt haben, dass die Täter auf freiem Fuß waren, als sie ihre Taten begangen haben, sondern Er sorgt auch für Gerechtigkeit, und das kann unter Umständen etwas ganz anderes sein als das Recht.

In Psalm 103,6 heißt es zum Beispiel: der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden. Die Propheten beschäftigen sich immer wieder mit der realen Rechtsprechung, mit Bestechung, Bevorteilung, Rechtsbeugung, sagen, dass Gott so etwas nicht will, fordern, dass es aufhören soll. „Es ströme aber wie Wasser das Recht und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“, so fordert es der Prophet Amos. (Amos 5,24) Wir sind aufgerufen, uns an Gottes Recht und Gerechtigkeit zu beteiligen, sie umzusetzen.

Dazu gehört, sich einzusetzen für unseren Rechtsstaat, dass es Gesetze gibt, die nicht nur Täter und Täterinnen bestrafen, sondern auch Opfer beschützen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass dieser Aspekt nicht genügend beachtet wird. Dazu gehört aber auch, sich selbst an Recht und Gesetz zu halten, sich zu bemühen, gut zu leben, rücksichtsvoll und ehrlich. Auch hier scheinen es ja im Moment nicht viele Menschen nicht 100% zu tun, die Verrohung unserer Gesellschaft wird immer wieder beklagt.

Gott will, das wir in Recht und Gerechtigkeit zusammenleben, nicht aus Willkür, sondern um uns allen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Pastorin i.R. Ellen Naß beschäftigt das Thema Recht und Gerechtigkeit.

Pastorin i.R. Ellen Naß beschäftigt das Thema Recht und Gerechtigkeit.


Text-Nummer: 161228   Autor: red.   vom 16.09.2023 um 12.31 Uhr

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