Das Tagebuch des Matrosen Bauer

Lübeck - Travemünde: Archiv - 20.01.2024, 17.43 Uhr: „Im August 1951 kam ich an Bord der Passat…“ So beginnt das Tagebuch von Detlef Bauer. Der kürzlich verstorbene Travemünder hat es viele Jahrzehnte lang aufbewahrt, zusammen mit seinem selbstgenähten Seesack und dem Werkzeug, das er als Matrose auf dem Windjammer benutzt hatte. Seine Witwe überreichte den maritimen Nachlass jetzt dem Verein „Rettet die Passat“.

Bild ergänzt Text

Detlef Bauer machte nur eine Fahrt mit dem Travemünder Windjammer. Aber die sei immer Thema gewesen, erzählt ein Nachbar. Etwa, wie er im Alter von 14 Jahren mit dem Fahrrad von Herfurt nach Kiel gefahren ist, um auf der „Passat“ anzuheuern. Ohne dem Vater etwas zu sagen. Und wie er in Kiel das Fahrrad dann verkauft hat, um Kleidung für seine Zeit an Bord zu kaufen. Seinen 16. Geburtstag feierte Detlef Bauer dann schon in Buenos Aires.

Bild ergänzt Text

Neben den Notizen enthält das Tagebuch Zeichnungen der Signalflaggen, Liedtexte und einige Worte Portugiesisch. Etwa, was „Liebelei“ heißt. Die Mädchen waren natürlich ein großes Thema für einen 15-jährigen auf See.

Bild ergänzt Text

Eine weitere Passage beschreibt die berüchtigte, damals übliche „Äquator-Taufe“. Wie der junge Matrose eine „knödelgroße Tablette aus Schweinekot“ mit einem großen Schluck Petroleum runterspülen, Neptuns Frau die Füße küssen musste, ihm Salzwasser in die Augen gespült wurde und er mit Teer und grüner Seife eingerieben wurde. Die bestandene Tortur brachte ihm eine Urkunde mit dem Taufnamen „Qualle“ ein, die sich ebenfalls bei den Unterlagen findet.

Bild ergänzt Text

Auch die Heuerabrechnung hat die Zeit überdauert. 50 DM gab es im Monat. Überstunden wurden mit 50 Pfennig vergolten. Weiter findet sich im Nachlass das Taufbuch des Windjammers „Pamir“, das in der Sammlung des Vereins noch nicht vorhanden ist. Dazu einige Fotos von Bord der „Passat“.

Bild ergänzt Text

Detlef Bauer ging am 20. August 1951 als Decksjunge an Bord der „Passat“ und hat nach großer Fahrt am 19. Juni 1952 wieder abgemustert. Er fuhr noch auf anderen Schiffen und drei Jahrzehnte lang mit dem Lastwagen durch ganz Europa. Ein unruhiger Geist sei er gewesen, meint ein Nachbar. Vor nicht ganz dreißig Jahren kam Detlef Bauer nach Travemünde, arbeitete als Hafenmeister in der Marina Baltica und war Segel-Lehrer auf dem Plöner See. Und gelernter Tischler. Die Knotentafel im Restaurant „Seglermesse“ auf dem Priwall hat er gemacht.

Bild ergänzt Text

In Travemünde hat er auch seine zweite Frau kennengelernt, die jetzt die Zeugnisse der Seefahrt-Geschichte dem Verein überreichte. „Ich soll das nicht wegwerfen, sondern soll das da hinbringen“, hätte er zum Schluss gesagt, erzählt sie. Das hat sie gemacht.

Der Nachlass wird jetzt archiviert. Und wenn die derzeitige Ausstellung mal aktualisiert wird, dann ergänzt vielleicht das ein oder andere Werkzeug des Matrosen, das in der Sammlung noch fehlt, die Schaustücke in den Vitrinen.

Bild ergänzt Text

Verein sucht weiterhin Erinnerungen an die Passat
Meist sind es Tagebücher, die der Verein „Rettet die Passat“ bekommt. Viele aus den 1950er Jahren, wenige aus den 1920ern. Man freut sich über jedes Buch, lässt sich damit doch die Geschichte des Windjammers vervollständigen und nacherleben. Weil Tagebücher aus sehr persönlicher Sicht geschrieben sind, wird auch gern verglichen, um herauszufinden, was wahre Begebenheiten sind uns was Seemannsgarn. Da ist zum Beispiel der Bericht aus Zeiten des 1. Weltkriegs. Wo beschrieben wird, wie die Mannschaft hungerte. Seehunde jagte und mit anderen Schiffen Tauschhandel trieb. Und es vom Kapitän auch mal Ohrfeigen setzte. Gab es da eine persönliche Fehde oder wurde der Käpt’n wirklich von allen heimlich nur „El Diabolo“ genannt? Vielleicht findet sich eines Tages ein zweites Tagebuch, das die Geschichte bestätigt oder widerlegt ...

Kontaktinformationen zum Verein „Rettet die Passat“ gibt über gleichnamige Internetseite
rettetdiepassat.de

Das idyllische Bild sollte nicht täuschen: Das Leben an Bord war auch für die sehr jungen Seeleute meist hart, allerdings prägend für das ganze Leben. Fotos: Karl Erhard Vögele

Das idyllische Bild sollte nicht täuschen: Das Leben an Bord war auch für die sehr jungen Seeleute meist hart, allerdings prägend für das ganze Leben. Fotos: Karl Erhard Vögele


Text-Nummer: 163707   Autor: Helge Normann   vom 20.01.2024 um 17.43 Uhr

Text teilen: auf facebook +++ auf X (Twitter) +++ über WhatsApp

Text ausdrucken. +++  Text ohne Bilder ausdrucken.


Please enable / Bitte aktiviere JavaScript!
Veuillez activer / Por favor activa el Javascript![ ? ]