Mitreißende Prokofiew-Sinfonie

Lübeck - Innenstadt: Archiv - 10.03.2024, 16.37 Uhr: Er war ein Senkechtstarter, der aus St. Petersburg stammende und vornehmlich in England arbeitende Dirigent Vasliy Petrenko, der das 5. NDR-Konzert in der Musik- und Kongresshalle (MuK) dirigierte. Nahezu gleichaltrig, doch nicht verwandt mit Kirill Petrenko (Chef der Berliner Philharmoniker), widmete er sich einem Programm mit Werken zweier Landsleute und einem Ukrainer.

Dieser, Reinhold Glière (1875-1956), stammte aus Kiew und ist in die Musikgeschichte eingegangen mit seinem Harfenkonzert, dem größten und anspruchsvollsten Werk für dieses Instrument. Die junge Französin Anaelle Tourret zeigte sich hier als Meisterin auf den 47 Saiten mit ihrem einzigartigen durchsichtigen, ätherischen Klang. Feinsinnige Melodien, engagiert gezupfte Läufe und rauschende Glissandi blühten in der MuK auf und bannten das Auditorium. Die schillernde Kadenz mit dem Bauchgefühl des Resonanzkörpers, die harmonischen Variationen im Andante, die fröhlichen Triolen des Allegro giocoso – zum Publikum strömte ein Frohsinn, dem Tourrett die Glanzlichter aufsetzte und den Petrenko mit Taktgefühl steuerte.

Der hochgewachsene, schlanke Dirigent führte kenntnisreich auch durch die 5. Sinfonie von Sergej Prokofiew. Aus Bass- und Tuba-Tiefen heraus entwickelte er das spätromantische Erzählen: Russische Seele im Moderato, sommerlich beschwingte Ironie im Allegretto, bläserdominiert das bewegliche Andante espressivo, das rasante Vivace mit seiner Marsch-Persiflage: Mit ausholenden Gesten und Körpersprache animierte Petrenko das Orchester auf allen Positionen zur Höchstleistung und machte dieses so gar nicht sowjetischer Direktive entsprechende Werk von 1952 zum zweiten Höhepunkt des Abends. Denn es hat ebenso wie das 1938 entstandene Harfenkonzert Kraft und Melodienreichtum.

Den entbehrt Peter Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ von 1870, die das Konzert eröffnete. So sehr sich Vasily Petrenko und die NDR-Elbphilharmoniker auch mühten – sie vermochten diesen zwanzig Minuten voller Larmoyanz kein Leben einzuhauchen. Das Auditorium zeigte sich mit seinem Beifall denn auch wesentlich zurückhaltender als bei den Interpretationen der spielfreudigen, lebhaften Werke von Tschaikowskys Nachfahren.

In der Lübecker Musik- und Kongresshalle gab es diesmal eine mitreißende Prokofiew-Sinfonie zu erleben. Foto: Archiv

In der Lübecker Musik- und Kongresshalle gab es diesmal eine mitreißende Prokofiew-Sinfonie zu erleben. Foto: Archiv


Text-Nummer: 164657   Autor: Güz   vom 10.03.2024 um 16.37 Uhr

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